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Von der Endstation zur Kreislaufwirtschaft – Der nachhaltige Umgang mit Retouren in der Logistik

 

Kommentar

Borgholzhausen, 19. April 2021 – Der Boom des Onlinehandels ist ungebrochen – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Das merken sowohl Betreiber von Onlineshops als auch Logistikdienstleister. Gerade bei Bekleidung, Elektronikartikeln, Haushaltsgeräten und Büchern genießen Verbraucher den bequemen Weg, online zu bestellen. Das gilt auch für Produktkategorien wie Lebensmittel oder Drogerieartikel. Allein die DHL mit einem Marktvolumen von knapp 50 Prozent berichtet von über 1,6 Mrd. Pakete im Jahr 2020. Bereits 2023 könnten es in der gesamten KEP-Branche schon 4,43 Mrd. Pakete sein, so der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V.

Von diesen Sendungen werden jedes Jahr schätzungsweise 280 Mio. Pakete und rund 490 Mio. Artikel aus verschiedenen Gründen zurückgeschickt. Dabei schwankt die Quote je nach Produktkategorie. Spitzenreiter: Bekleidung, die nicht passt oder vorsorglich gleich in mehreren Größen bestellt wurde. Dass jedes sechste Paket und jeder achte bestellte Artikel seinen Weg zurück zum Hersteller nimmt, verursacht hohe Porto- und Transportkosten, außerdem schlägt der Wertverlust der zurückgesendeten Ware zu Buche.

Zu den Kosten kommen aber noch die Umweltbelastungen durch den erhöhten Lieferverkehr und die Flut an Verpackungsmaterialien, weshalb der Onlinehandel auch angesichts des hohen Anteils an Retouren als ökologisch problematisch kritisiert wird. 240.000 Tonnen CO2 werden durch Retouren pro Jahr emittiert, rechnet man die Zahlen einer Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg hoch. Hinzu kommt, dass durch die Vernichtung rückgesendeter Ware – rund 20 Mio. Artikel jedes Jahr – wertvolle Ressourcen aus dem Kreislauf genommen werden. Dagegen möchte auch die Bundesregierung mit ihrem im Februar des letzten Jahres beschlossenen Gesetzentwurf zur Vermeidung von Retourenvernichtung vorgehen.

Wirtschaftliche und ökologische Herausforderung

Nachhaltigkeit im Retourenmanagement beschäftigt Onlinehändler und Logistikdienstleister in zweierlei Hinsicht – wirtschaftlich und ökologisch. Zum einen dürfen rückwärtsgerichtete Warenströme nicht einem nachhaltigen Wirtschaften entgegenstehen. Das bedeutet konkret: Sie müssen so wirtschaftlich und effizient wie nur möglich gehandhabt werden. Denn Bearbeitungsvorgänge wie das Sichten, Prüfen, Vereinnahmen, Aufbereiten oder sogar Reparieren der retournierten Artikel sind Kostentreiber.

Hier kann effizientes Retourenmanagement Abhilfe schaffen. Indem speziell auf E-Commerce geschultes Personal bereits bei der Vereinnahmung, also der Wiederaufnahme in das Lager, und der Identifikation des jeweiligen Artikels nach dem Erhalt der Retoure, direkt auch eine Klassifizierung vornimmt, lässt sich zum einen Zeit sparen. Zum anderen hilft die korrekte Einteilung in A-, B- und C-Ware dabei, die retournierten Produkte weiter zu bearbeiten. Wird ein Artikel als A-Ware gekennzeichnet, ist er in bester Verfassung und kann ohne weitere Schritte wieder dem Verkauf zugeführt werden. Laut dem jährlichen Retourentacho der Bamberger Forschungsgruppe Retourenmanagement macht dieser Teil der Artikel sogar rund 79 Prozent aller zurückgeschickten Produkte aus. Bei den als B-Ware klassifizierten Artikeln müssen Verpackungen erneuert oder der Artikel gereinigt werden. Zusätzlich wird die Ware für den Verbraucher als Retoure kenntlich gemacht. Bei C-Ware ist eine Wiederaufbereitung wirtschaftlich nicht tragbar, weshalb diese Artikel Zweitmärkten zugeführt oder zur Rohstoffgewinnung weiterverwendet werden. Nur selten müssen Artikel vollständig entsorgt werden – das betrifft laut der Bamberger Forschungsgruppe 3,9 Prozent der Retouren.

Retouren als Ressourcenkiller? Das muss nicht sein!

Die Klassifizierung dient nicht nur dazu, den wirtschaftlichen Wert einer Ware zu erkennen. Sie unterstützt auch dabei, den Umgang mit Retouren nachhaltiger zu machen, vor allem aus ökologischer Sicht – der zweiten Seite der Medaille im Retourenmanagement. Wenn A-Waren wieder dem Warenkreislauf zugeführt, B-Waren sorgfältig aufbereitet werden und selbst C-Waren noch einen Nutzen haben, trägt das dazu bei, Ressourcen zu sparen. Das gilt auch für Transportverpackungen, die durch Recycling zum Teil ebenfalls dem Kreislauf zurückgeführt werden können.

Transporte optimieren und minimieren

Darüber hinaus müssen im Bezug auf Nachhaltigkeit auch die für Retouren zwingend nötigen Transporte betrachtet werden: Diese sind nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch für die Umwelt eine Herausforderung. Je emissionsarmer das Fahrzeug, desto günstiger der Transport. Zum einen können Unternehmen und Logistikdienstleister ihren Fuhrpark auf modernere LKW mit weniger Schadstoffausstoß umrüsten und sie technisch stets aktuell halten. Auch sollten Fahrer auf eine kraftstoffsparende Fahrweise geschult werden. Beides spart nicht nur Geld, sondern hilft auch, Transporte so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Zum anderen gilt es, die Transportwege zu optimieren – beispielsweise durch Softwares zur Routenplanung, die die kürzeste Strecke vom Paketshop über diverse Zwischenstationen, wie Hubs, zurück zum Lager berechnen. Bei kurzen Strecken – beispielsweise vom Paketshop zu Zwischenlagern in der Stadt helfen auch Elektrofahrzeuge bei der Verringerung von Emissionen. Damit nicht unnötig lange Strecken entstehen, sollte zudem auf eine dezentrale, über Deutschland verteilte Standortstruktur geachtet werden. So lassen sich Retouren meist an dem Logistikstandort bearbeiten, der für den Weiterverkauf am besten geeignet liegt.

Der beste Weg für mehr Nachhaltigkeit

Betreiber von Onlineshops und Logistikdienstleister stehen Retouren aber nicht nur reaktiv gegenüber. Sie können gemeinsam auch aktiv Retouren verhindern: mit präventivem Retourenmanagement. Hierfür gilt es, die Gründe für Rücksendungen zuerst einmal zu identifizieren. Dazu benötigen Shop-Betreiber und Logistiker Daten, die sie im Dialog mit den Kunden herausfinden können – beispielweise über Rücksendescheine oder Online-Abfragen. Aus diesen Daten können dann Informationen generiert werden, auf deren Basis sich Produktbeschreibungen anpassen lassen. So wissen Verbraucher genau, was sie bestellen. Immer mehr zum Trend werden – besonders im Bereich Mode – virtuelle Anproben im Onlineshop mithilfe von hinterlegten Body-Scans. So können Kunden ihre gewünschte Hose nur in der Größe bestellen, die wirklich passt, statt bisher in drei verschiedenen Größen. Neben der Optimierung von Onlineshops durch Virtual Reality und anderen digitalen Möglichkeiten gibt es aber auch ganz einfache Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass die Ware unbeschädigt beim Konsumenten ankommt, beispielsweise sichere Versandverpackungen. Auch das verhindert Retouren. Immer wieder im Gespräch sind auch die Erhebung von Kosten für Retouren. Das ist ein kritischer Punkt. Denn Kunden erwarten häufig eine kostenlose Rücksendeoption und wechseln auch problemlos zu einem anderen Anbieter, der ihnen dies ermöglicht. Hier würde im letzten Schritt nur eine Pflicht für Retourengebühren helfen. Damit es soweit aber gar nicht kommen muss, haben Shop-Betreiber immer die Option, an den ökologischen Verstand ihrer Kunden zu appellieren: Aufklärung über die Folgen einer Retoure schon bei der Bestellung kann Verbraucher:innen sensibilisieren, sich die Auswahl des Produktes gut zu überlegen.