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Borgholzhausen, 15. März 2022 – 107 Milliarden Euro: So hoch war das Gesamtvolumen im Onlinehandel in Deutschland im Jahr 2021 inklusive digitaler Dienstleistungen. Das hat der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) errechnet. Aktuell kennt diese Kurve nur eine Richtung – weiter nach oben. Doch welche Verbrauchertrends werden die Branche prägen?
Auch 2022 werden sich die Innovationen fortsetzen, die im vergangenen Jahr im E-Commerce schon stark spürbar waren. Hierzu gehört, dass die Kund:innen sich immer mehr auf ein persönliches Einkaufserlebnis freuen wollen. Daher wird die Personalisierung von Onlineangeboten zunehmen. Das wollen Onlinehändler dadurch erreichen, dass sie auf First-Party-Daten, also solche, die sie selbst über das Kaufverhalten der Kundschaft gesammelt haben, zugreifen. So wollen sie die Customer Experience verbessern. Das wird im Umkehrschluss dazu führen, dass sich Anbieter noch stärker mit dem Thema Datenschutz und Cyber-Security beschäftigen müssen, um sensible Informationen sicher nutzen und vor allem schützen zu können. Zudem wird sich die klassische Systematik im Onlineshop mit der anwendernahen Oberfläche im Frontend und den nachgeordneten Prozessen wie Warenbestandssteuerung, Abrechnung und Logistikplanungen weiter auflösen. Es geht hin zum Headless Commerce. Die Kunden möchten auf weiter ausdifferenzierten Kanälen die Möglichkeit zum Einkaufen haben. In Ruhe auf der Couch am Abend auf dem Laptop nach der neuen Vase suchen oder schnell auf dem Smartphone neue Druckerpatronen ordern: Die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Devices erfordert individuelle und angepasste Formen des Storytellings. Das wird für die Verkäufer zu einer gewaltigen Aufgabe. Denn Bildwelten müssen angepasst, verschiedene Ansprachen gefunden werden. Über die Headless-Option zum Erstellen und intelligenten Ausspielen von Inhalten geschieht das automatisch, die grundsätzliche Entwicklung und das Bauen von Erlebniswelten im Verkauf wird aber kreative Aufgabe der Onlinehändler bleiben.
Das Storytelling wird wichtiger
Zum Shoppen am Samstag in die Stadt gehen und den stationären Handel nutzen – das war für viele Verbraucherinnen und Verbraucher vor der Pandemie Teil der Erlebniskultur, wird es für sie im Zeichen der Lockerungen wieder werden. Dinge anfassen funktioniert online nicht. Umso mehr wird es für die Betreiber von Onlineshops 2022 immer wichtiger werden, der Kundschaft eine ausgereifte Customer Experience zu bieten. Einkaufen ist – über die eigentliche Beschaffung durch einen Kaufvertrag hinaus – auch online immer mehr mit Emotionen verbunden. Bewegtbilder machen Produkte zumindest visuell erlebbar. Die Kommunikation auf Social-Media-Netzwerken zwischen Verkäufern und Kunden und innerhalb der kaufenden Dialoggruppe ersetzt vermehrt eine klassische Verkaufsberatung im Laden. Social Commerce ist das Stichwort. Auf Social Media zu bestaunen, im verknüpften Onlineshop zu kaufen, wird sich als Trend verstärken. Der reine stationäre Handel wird aus diesem Trend lernen müssen, um zu überleben. Indem er lokale Beratungskompetenz im Laden mit digitaler Bestellwelt kombiniert. Diese Form des Handels wird phygital. Das bedeutet die Symbiose aus physischem und digitalem Einkaufen. Ein gutes Bespiel hierfür ist der Mechanismus von Click and Collect. Online bestellen und im Laden abholen: Das hat sich in Pandemiezeiten bewährt. Zumal beim klassischen Abholen viele Servicefragen vor Ort geklärt werden können. Zudem wird sich durch den Mechanismus des Direct-to-Consumer (D2C) für die Industrie die Chance ergeben, vermehrt Waren direkt an die Endverbraucher:innen zu verkaufen. Die direkte Bindung der Kund:innen über diesen Vertriebskanal bedeutet für die Anbieter zudem eine Chance, unmittelbar Kundenmeinungen zu Produkten zu erhalten.
Höhere Anforderungen an die Logistik
Das Wachstum im E-Commerce wird auch die Logistikdienstleister weiter vor erhöhte Herausforderungen stellen. „Wenn wir das Beispiel der letzten Meile nehmen: Diese wird kleinteiliger werden. Die Belieferung von Stores in den Innenstädten wird aus Mikro-Lagern geschehen, mit kleinen wendigen, natürlich rein elektrischen Fahrzeugen“, schaut Thomas Finke, Bereichsleiter E-Commerce bei B+S, in die Zukunft. Im Bereich der Intralogistik werden die Betreiber der Anlagen auf einen erhöhten Automatisierungsgrad setzen. „Vor allem im B2C-Onlinehandel sehen wir wachsende Volumen, die wir in ihrer Kleinteiligkeit nur handhaben können, wenn wir unsere Prozesse gut skalieren“, so Thomas Finke weiter. „Intelligente Technik und automatische Abläufe sind hier nicht mehr wegzudenken.“ Diese sorgen dafür, dass Onlinehändler die hohen Erwartungen ihrer eigenen Kund:innen in puncto Service, Schnelligkeit und Flexibilität erfüllen können. Auch in den Abläufen nach der Zustellung von Waren an die Empfangsstellen liegt Potential, das es zu heben gilt. „Verpackungsmüll und dessen Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck des Handels ist das eine“, so der E-Commerce-Verantwortliche. Die Novelle des EU-Verpackungsgesetzes verschärft die Vorzeichen zusehends. „Retouren sind das andere. Sie sind als Verkaufsargument gewollt, die Kund:innen nutzen sie, wie hohe Retourenquoten beweisen. Die ökologische Verantwortung für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, bei einer höheren Anzahl von Transporten, trägt die Logistik gefühlt allein. Das kann es aber nicht sein. Es kommen die Kosten hinzu. Retouren sind nicht umsonst, nur weil der Besteller das nicht bezahlt.“ Hierin liegt eine weitere Herausforderung an die Prozesse in den Supply Chains. „Die Logistik macht das alles möglich. Sichert die Grundversorgung, unterstützt die Innovationen im Handel. Sie tut das jedoch sehr im Verborgenen. Es wird also Zeit, im boomenden Onlinehandel auch für das Image der Logistik zu werben und die Verantwortung auch auf Handel und Verbraucher auszudehnen“, ist sich der Logistikfachmann sicher.