Borgholzhausen, 04. Mai 2021 – Der Arbeitsmarkt ist in Bewegung. Sein ständiger Wegbegleiter ist der brisante Fachkräftemangel. Innovationen und neue Ansätze verändern die Welt der Human Resources (HR) kontinuierlich. Auf der ZP Nord der Zukunft Personal in Hamburg diskutierten 180 Expertinnen und Experten über Chancen und Herausforderungen. In diesem Jahr mit dem Schwerpunkt Logistik. Marcus Meyer, Personalleiter von der B+S GmbH Logistik und Dienstleistungen war in der Hansestadt vor Ort. In diesem Interview gibt er thematische Impulse für Recruiting 2.0 in der Logistik.
Warum hat die Logistik am Arbeitnehmermarkt ein schlechtes Image und was kann jedes einzelne Arbeitgeberunternehmen dagegen tun?
Die Öffentlichkeit nimmt die Logistik in sehr stereotypen Bildern wahr. Die Menschen sehen Lkw, Container und Lager. Sie haben den Eindruck gewonnen, die Arbeit sei hart und stressig, die Bezahlung im Gegenzug schlecht. Und dann bekämen die Akteure vom Arbeitgeber, dessen Kunden und den Endverbrauchern nicht mal die Anerkennung, die sie verdienten. Der Wirtschaftsbereich Logistik hat hier leider fast so ein Image wie die Gesundheitsbranche. Wir sind zudem in den Fokus gerückt, weil wir als eigene Branche, aber auch in unserer Querschnittsfunktion bei Industrie und Handel immer weiterwachsen und unsere Dienstleistungen von Interesse geworden sind. Hinter unserem Dienst steckt Leistung: volle Regale im Supermarkt; heute online bestellt, von der Logistik in 48 Stunden gebracht. Erst wenn die Kunden dies erkennen, wird auch ein Wandel möglich sein. Indem die Arbeitgeber Kernbedingungen ändern und Maßnahmen einführen, um im HR-Sinn nachhaltig agieren zu können, wird die Attraktivität der Logistikunternehmen als Arbeitgeber steigen.
Wie erleben Sie die Diskrepanz zwischen „Markenversprechen“ und „Markenerleben“ in Bezug auf die Arbeitgebermarke? Wie machen Sie bei B+S das Arbeitgebermarkenversprechen wahr und erlebbar?
Es ist nicht mehr so wie früher, dass in Familien der Berufsweg in einem Unternehmen von den Großeltern über die Eltern hin zum Nachwuchs „vererbt“ wird. Oder dass allein der Name des potenziellen Arbeitgebers für umfassende Personalbindung sorgt. Unternehmen müssen für sich werben, Employer Branding betreiben. Bewerberinnen und Bewerber wollen wissen, für welche Dienstleistung man steht, welche Einstellung die „Firma“ zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen hat und wie es mit der individuellen Work-Life-Balance aussieht. Wir bei B+S versprechen hier nur Dinge, die wir halten können. Unsere Dienstleistungen unterliegen eben vielen festgelegten Prozessen, auf die sich Mitarbeitende einstellen müssen. Leider stehen wir alle im „War of Talents“ im Ring mit allen anderen Arbeitgebern – nicht nur denen aus der Logistik. Hier gibt es Branchen, die ihren Mitarbeitenden mehr bieten können, weil sie ihr Geschäft mit anderen Vorzeichen praktizieren können. Wir sollten nicht den Fehler machen zu versuchen, das auch zu bieten und dann zu scheitern. Dadurch verlieren wir im schlimmsten Fall nicht nur eine gute neue Kollegin oder einen Kollegen. Wir werden auch nicht dem Anspruch gerecht, ein ehrlicher Arbeitgeber zu sein. Das sorgt in den entsprechenden Milieus zurecht sehr schnell für ein negatives Bild. Um es auf einen einfachen Nenner zu bringen: „Erzähle die Wahrheit und finde die Talente, die für die Logistik brennen.“
Welche Top-Recruiting-Trends beobachten Sie aktuell und wie wirken sich diese auf das Recruiting bei B+S aus?
Das sogenannte Performance-Recruiting über die Social-Media-Kanäle ist ein Trend, den wir aktuell sehen. Hier kann man für bestimmte Jobprofile gezielt nach Bewerberinnen und Bewerbern suchen, weil man messen kann, in welchen sozialen Netzwerken sich diese bewegen und vor allem mit anderen Menschen kommunizieren. Mundpropaganda wird so digital. Hier muss jedes Unternehmen schauen, inwieweit sich in diesem Influencing für das eigene Ziel im Recruiting Potentiale ergeben. Der gesamte Recruitingmarkt ändert sich. Dies liegt unter anderem daran, dass durch COVID-19 die Digitalisierung sehr schnell vorangeschritten ist. Die Prozesse in den Bewerbungsverfahren haben sich dementsprechend angepasst. Ein erstes Kennenlernen findet nicht vor Ort, sondern digital über ein Tool statt. Es kommt hinzu, dass der Bewerbermarkt immer kleiner wird. Den einen Top-Trend gibt es nicht. Es wird immer ein Mix aus vielen Möglichkeiten sein. Auch die klassischen Formate wie Anzeigen oder die persönliche Ansprache auf Veranstaltungen bleiben uns erhalten. Es ist nur wichtig, die Änderungen zu erkennen und diese für sich zu nutzen.
Bitte ergänzen Sie: „Was ich potenziellen Arbeitnehmern schon immer einmal über das Arbeiten und die Karrierechancen in der Logistik sagen wollte, ist…
… dass sie in der Logistik alle Möglichkeiten zur Entwicklung haben, ihre Ideen einbringen und somit auch Karriere machen können. Logistik hat die oben schon angeschnittenen Jobs, für die man im wahrsten Sinne eine Hands-on-Mentalität braucht. Hier suchen wir Leute, die zupacken können und so die Maschine am Laufen halten. Logistik ist zum Beispiel aber auch Informationstechnologie mit Arbeitsplätzen für Softwarefachleute, die die Supply Chain digital fit machen und Schnittstellen bauen. Unser Wirtschaftsbereich bietet zudem Spielfelder für Wirtschaftsexperten. „Vom Kommissionierer zum Standortleiter“ ist dabei in der Logistik keine Plattitüde, sondern eine reale Karrierechance. Es hängt am Ende nur davon ab, wie sehr die Interessentinnen und Interessenten diesen Aufstieg wollen und bereit sind, ihre eigene „Komfortzone“ zu verlassen.