Gastbeitrag
Bielefeld, 08. September 2021 – E-Commerce-Logistik ist komplex. Sie ist nicht nur extrem dynamisch und besonders verbrauchergetrieben, sondern erfordert auch ein entscheidendes Umdenken: weg von Paletten, hin zu Single Units. Die Herausforderung dieser kleinen Artikeleinheiten? Die Prozesskosten sind hoch – gerade bei den im Onlinehandel üblicherweise geringen Margen, steigenden Preisen für Flächen in Deutschland oder fehlenden Fachkräften. Das Ergebnis ist ein enormer Druck, effizienter zu arbeiten, um die Kosten per Unit zu reduzieren. Eine Effizienzsteigerung lässt sich durch eine passgenaue IT-Lösung erreichen, wie E-Commerce-Experte Thomas Finke weiß. Wie eine solche Lösung aussehen kann, ob man sie besser inhouse aufbaut oder einkauft und warum am Ende keine Insel dabei herauskommen darf, stellte er auf der 4. DVZ-Konferenz „Das richtige TMS als Schlüssel zur Spedition 4.0“ vor.
Systeme verändern sich
Nicht nur der E-Commerce an sich verändert sich – denken wir nur an erhöhte Absatzmengen nicht erst seit Corona und immer weiter gespannte Vertriebsnetze über Marktplätze und Plattformen. Damit einhergehend stehen auch bisherige IT-Systeme auf dem Prüfstand. Sind sie multimandantenfähig und 24/7-verfügbar, um den Kunden Einblicke in die Prozesse ihres Fulfillments zu geben, wenn sie es brauchen? Sind Prozessschritte automatisiert, um die Geschwindigkeit zu erreichen, die so dringend benötigt wird? Arbeiten Sie bereichsübergreifend, um vom Materialfluss über die Intralogistik bis zum Transport Prozesse zu optimieren? Können verschiedene Carrier angebunden werden, um die letzte Meile zu beschleunigen? Fragen über Fragen zeigen sich am IT-Himmel eines E-Commerce-Logistikdienstleisters. Merkt man, dass die bisherigen Systeme diesen Anforderungen an ein effizientes E-Commerce Fulfillment nicht standhalten, stellt sich die größte aller Fragen.
Eigene Lösung oder Einkauf von Fremdsystemen?
Entscheiden sich Logistikdienstleister für die Entwicklung einer eigenen IT-Lösung, sollten sie vorab kritisch hinterfragen, ob das dafür notwendige Know-how inhouse vorliegt, entsprechende Kapazitäten verfügbar sind und ob man diese für den Aufbau einer eigenen Softwarelösung einsetzen möchte. Denn man darf den Aufwand eines solchen Unterfangens nicht unterschätzen, auch wenn die Vorteile einer eigens entwickelten Lösung auf der Hand liegen. So lässt sie sich individuell an eigene Workflows und das eigene Geschäftsmodell anpassen. Beim Einkauf einer Fremdlösung werden dagegen zwar die eigenen Kapazitäten in der Entwicklung geschont. Nur ist es mit der reinen Anschaffung einer Lösung nicht getan. Die Integration in bestehende IT-Landschaften ist oft genug eine Herausforderung. Denn eine Logistik-IT-Lösung für den Onlinehandel entfaltet erst ihr Effizienzpotenzial, wenn sie über robuste Schnittstellen zum Transport Management System (TMS), dem Warehouse Management System (WMS), diversen Shopsystemen und den Carriern verfügen. „Insellösung mit Schnittstellen“, nennt Thomas Finke das. Besonders die hohen Schnittstellenkosten bei dieser Variante schrecken viele Kundenunternehmen ab. Deshalb erkennt Thomas Finke einen Trend zur Standardisierung der Schnittstellen für den E-Commerce. Diese sogenannte Produktisierung punktet mit einem standardisierten Onboarding, der Einsparung von Ressourcen und kurzen Implementierungszeiten, bringt aber den Nachteil mit sich, dass man in puncto Individualität und „Maßschneiderung“ Abstriche machen muss.
Insellösung oder lieber End-to-End?
Unabhängig davon, für welche Variante sich Logistikdienstleister gemeinsam mit ihren Kunden entscheiden, rät Thomas Finke: „Gerade im E-Commerce ist die Anbindung an so viele verschiedene Systeme relevant, die eine Insellösung einfach nicht – oder nur unter sehr hohen Entwicklungskosten – bedienen kann. Denn es gilt nicht nur unterschiedliche Auftragsquellen unter einen IT-Hut zu bekommen, sondern zudem von der ersten bis zur letzten Meile, von Endkund:innen über Händler und Logistikdienstleister bis hin zu KEP-Dienstleistern und den Zustellern einen durchgängige Informationsfluss zu generieren. E-Fulfillment lebt von Integration. Denn sie ermöglicht ein effizientes Arbeiten, das dringend gebraucht wird, um Kosten zu reduzieren und Erwartungen der Verbraucher:innen zu erfüllen. Und am leichtesten erreicht man eine vollständige Integration, wenn man schon in der Entwicklung einer IT-Lösung den Zielmarkt vor Augen und die Bedürfnisse der Kunden im Blick hat. Das Ergebnis muss darum meines Erachtens eine End-to-End-Lösung sein.“