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Borgholzhausen, 05. Januar 2023 – Gesellschaftlich und wirtschaftlich war das Jahr 2022 eines der aufregendsten und unvorhersehbarsten der Nachkriegsgeschichte. Was wird 2023 bringen? Womit muss speziell der Wirtschaftssektor Logistik in naher und ferner Zukunft rechnen? Kann man unter den aktuellen Bedingungen Trends noch glaubhaft ausmachen?
Gerade in unsicheren Zeiten muss die Logistik Prognosen wagen, Ziele setzen und Trends erkennen. Da kommt die aktuell veröffentlichte sechste Ausgabe des DHL Logistics Trend Radar gerade recht: Diese mittlerweile fest etablierte Trendstudie der Logistikbranche erscheint alle zwei Jahre und verknüpft Einblicke in Technologie-Trends mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Genau diese Herangehensweise bietet einen immensen Vorteil gegenüber sonst üblichen Darstellungen von Techniktrends: Passt die technische Lösung überhaupt zur gesellschaftlichen Lage? Denn nicht alles, was technisch machbar ist, ist wirtschaftlich sinnvoll oder gesellschaftlich gewollt. Um hier erfolgversprechende Matches zwischen Zukunftstechnologien und gesellschaftlichen Trends bilden zu können, gewichtet der Logistics Trend Radar jeden einzelnen Trend nach seinem erwartbaren Auswirkungsgrad. Auch eine grobe zeitliche Einordnung lässt der Trend Radar zu: Wann könnte aus einem Zukunftstrend technische und gesellschaftliche Realität werden? Der Logistics Trend Radar ist damit eine sehr gut aufbereitete und nutzbare Informationsquelle, um echte Megatrends der Logistik ausfindig zu machen und sich auf Herausforderungen der näheren Zukunft vorzubereiten oder auch Pseudotrends trotz viel PR-Tamtam als solche zu entlarven.
Was sind kommende Megatrends der Logistik?
Als Megatrend verortet der Logistics Trend Radar an höchster Stelle die Dekarbonisierung und auf technologischer Seite die Entwicklung alternativer Energielösungen. Laut Trend Radar wird die Dekarbonisierung die Hauptherausforderung für die nächsten zehn Jahre (und darüber hinaus), für die aber bereits mit den alternativen Energien fieberhaft an einer adäquaten technischen Antwort geforscht wird. „Besonders im E-Commerce muss im Zuge der angestrebten Dekarbonisierung aber auch ein gesellschaftliches Umdenken der Verbraucher stattfinden, denn die stetige Zunahme der Retouren läuft den Bemühungen CO2 einzusparen zuwider“, so Thomas Finke, Geschäftsbereichsleitung E-Commerce bei B+S. „Wir können die Energiewende nicht ausschließlich technologisch bewältigen, letztlich muss es auch zu Verhaltensänderungen von uns allen kommen, der E-Commerce ist da nur ein Teil unseres Lebens, den wir CO2-bewusster gestalten müssen.“, so Finke weiter.
Eine gesellschaftlich weniger existentielle, dafür aber umso drängendere Herausforderung der Logistik wird die Diversifikation der Lieferketten sein. Dieser Trend wird von den logistischen Verwerfungen durch die Covid-19-Pandemie und zunehmenden weltweiten Krisenherden befeuert. Eine angemessene Reaktion ist die Erweiterung des Zulieferer-, Hersteller- und Absatznetzes, um Resilienz und Agilität des eigenen Netzwerkes zu erhöhen. Big Data Analysen – als weiterer technologischer Megatrend – werden hierbei hilfreiche Tools sein, um geeignete neue Netzwerkpartner ausfindig zu machen. Auch durch kluge Standortplanung von Lagern an Verkehrsknotenpunkten nah am Kunden lassen sich Lieferwege kurz gestalten, was Resilienz und Agilität speziell in der Kontraktlogistik erhöht
Trends am Zukunftshorizont
Zwei weitere gesellschaftliche Megatrends sollte man auf dem Radar behalten: Circularity, also die Kreislaufwirt, und das Physical Internet, ein neues logistisches Paradigma und Pendant zum Industrial IoT. Hierbei soll die weltweite Transportlogistik wie das herkömmliche Internet aufgebaut und vernetzt sein. Die Transportgüter suchen sich in diesem Physischen Internet autonom den optimalen Weg durch das weltweite intermodale Transportnetz. Dieser grundlegend neue Transportansatz setzt neben einiger technischer Neuerungen vor allem neuartiges Denken und Zusammenarbeiten der gesamten Logistikbranche voraus.
Doch sowohl Kreislaufwirtschaft als auch Physical Internet sind von ihrem Realisierungsgrad her noch recht unfertig und benötigen bis zur Umsetzung noch einen hohen technischen Aufwand und zeitlichen Vorlauf. Bei der Realisierung der Kreislaufwirtschaft wird Logistikern der technologische Trend der ‚NextGen-Verpackungen‘ helfen. Sowohl Lagerlogistik als auch der Value Added Service beschäftigen sich aktuell und in den nächsten Jahren intensiv mit den Themen nachhaltige, recyclebare und mehrfach verwendbare Verpackungen sowie neue Materialien.
Welche Trends sind bereits weit entwickelt?
Mobile Indoor Roboter sowie Autonome Outdoor Fahrzeuge macht der DHL Logistics Trend Radar als besonders prägende Technologie-Trends für die nähere Zukunft aus. Die mobilen Indoor Roboter entlasten vor allem das E-Commerce Fulfillment und die allgemeine Lagerlogistik. Es stehen bereits weit entwickelte Lösungen bereit. Doch Thomas Finke gibt zu bedenken: „Bei B+S setzen wir ebenfalls auf vielfältige Automatisierungen im Warehouse. Was aber nicht vergessen werden darf: Die Automatisierung verschlankt Prozesse und entlastet Arbeitskräfte, aber sie frisst auch immens viel Energie. Wenn man die Dekarbonisierung ernst nimmt, muss in einem ersten Schritt zumindest diese zusätzlich benötigte Energie alternativ gewonnen werden. Bei B+S nutzen wir beispielsweise die Lagerdächer, um dort mit Photovoltaikanlagen Strom zu erzeugen und arbeiten permanent an neuen Lösungen Energie andernorts einzusparen oder zusätzlich alternativ zu erzeugen.“ Autonome Lieferfahrzeuge für den Außenbereich befinden sich dagegen laut Logistics Trend Radar nach wie vor im Forschungsstadium und dort rechnet man mit einer Realisierung frühestens in fünf bis zehn Jahren. Cybersecurity 2.0, also die weiterentwickelte Daten- und Netzwerksicherheit mittels KI-Unterstützung, ist ein weiterer Trend von hoher Relevanz, der aber schon heute von drängender Brisanz ist und einen hohen Realisierungsgrad aufweist. Ähnlich wie die Dekarbonisierung oder Diversifikation der Lieferkette ist dieser Trend aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen geschuldet, auf die der Logistiksektor schnell und entschieden reagieren muss.
Welche Trends sind zu vernachlässigen?
Auch wenn die Herren Musk und Zuckerberg es nicht hören mögen: Als gesellschaftlich eher unwichtige Entwicklungen werden sowohl die Space Economy wie auch das Metaverse angesehen, beide befinden sich zudem noch in weiter Ferne, was ihre Realisierung angeht. Auf technischer Seite werden Tube-Systeme, ähnlich dem Hyperloop, als wenig wichtig eingestuft, vor allem aufgrund ihres immensen Investitions- und Installationsaufwands. Dabei bieten solche Systeme noch nicht einmal eine Lösung für die Logistik der Ersten und Letzten Meile, dem drängendsten Lieferproblem im urbanen Raum. Auch Exoskelette werden als wenig bedeutsam vom Logistics Trend Radar eingestuft, obwohl diese bereits einen deutlich größeren Realisierungsgrad aufweisen können. Sie unterstützen durch intelligente Servomotoren beim Heben und Hantieren und erleichtern vor allem wiederkehrende Tätigkeiten in Industrie und Lagerlogistik.“
Fazit
Wichtig bei all dem bleibt: Die Bewertungen des DHL Logistics Trend Radars sind Momentaufnahmen und bilden die Entwicklungen der letzten Monate ab. Das Jahr 2022 hat uns gezeigt, wie schnell gesellschaftliche Realitäten sich verändern. Auch Thomas Finke kann den Eindruck eines besonders turbulenten Jahres bestätigen: „So volatil, mit solchen Schwankungen im E-Commerce, habe ich noch kein Jahr in meiner beruflichen Laufbahn erlebt. 2022 war ein einziges Auf und Ab. Wichtig ist, dass wir uns darauf einrichten und flexibel bleiben. Eine gute Möglichkeit, um Schwankungen im Handelsaufkommen auszugleichen, sehen wir bei B+S darin, durch Teilautomatisierungen in den Lagern grundsätzliche Arbeitsentlastungen zu schaffen und Auftragsspitzen flexibel mit zusätzlichen Arbeitskräften abzufangen. So können wir sehr viel schneller hoch und runterskalieren als wir das in einem vollautomatisierten Lager könnten.“ Auch das Jahr 2023 wird spannend, Flexibilität wird sich als eine Grundtugend erweisen.